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(Falco tinnunculus) --- Vogel des Jahres 2007

Turmfalke an der Kirche von Thanning/Obb., Foto: Gerd Wellner

Mehrere Tage und Nächte hat es kräftig geschneit. Eine Schneeschicht, die den Fuß bis an die Schienbeine einsinken lässt, bedeckt die Felder und Wiesen. Vor ein paar Stunden hat der Sturm aufgehört, den Schneestaub über die zur Tundra verschleierte Landschaft zu blasen und auf der Kristalldecke zu einem hauchdünnen, geschuppten Muster zu verwehen. Im Windschatten des Feldstadels liegt die weiße Decke niedriger und lässt verzuckerte Grasbüschel hervor stechen. Eine zuckende rosa Schnauze bohrt sich aus einem Schneegang, dann verlässt eine Feldmaus vorsichtig ihren verborgenen Laufgang, der wärmend isoliert wie ein Iglu.

Foto: Dieter Goebel-Berg- gold, fotocommunity.de, fc-foto 5121278 *

Aus dreißig Metern Entfernung beobachtet ein Augenpaar den Na-ger. Im Fokus des Turmfalken erscheint das braune Pelzknäuel so gestochen scharf und groß, als krabbelte es unmittelbar vor dem gebogenen Schnabel herum. Dick aufgeplustert sitzt das Turmfalkenmännchen mit dem blaugrauen Kopf und den ziegel-roten, schwarz gefleckten Flügeln in einer jungen Birke, die neben dem Feldwegskreuz steht, ein Greifvogel in Hunger- und Kältenot. Um bei dem extremen Wetter weniger Energie zu verbrauchen, hat der Falke auf den zwar effektiven, aber kraftraubenden Rüttelflug verzichtet und jagt stattdessen vom Ansitz aus.

Der Falke duckt sich und stößt sich vom Ast ab. Im Zurückfedern stäubt das Holz ein paar Schnee-kristalle von sich in die windstille Luft. Ein Beschleunigen mit den spitz zulaufenden, schmalen Flügeln, der überwiegende Rest der Strecke ein mit Schwanz und Schwingen unmerklich getrimmter Gleitflug, die Krallen langsam nach vorne hebend – ein leiser, fiepender Todesschrei. Des einen Verhängnis sichert vielleicht das Überleben des anderen für eine weitere frostige Nacht.

Foto: Dieter Goebel-Berggold, fotocommunity.de, fc-foto 4693073 *


Nahrung

Die Lebensgrundlage des Turmfalken bilden Feldmäuse, in etwas kleinerem Umfang die größeren und gewichtigeren Schermäuse. Den Turmfalken als Mäusejäger zu bezeichnen ist genau genommen falsch – die genannten Beutearten zählen nämlich zu den Wühlmäusen, die trotz ihres Namens nicht zu den echten Mäusen (lateinisch Muriden) gehören, sondern eine Familie nur ähnlich gebauter Nagetiere bilden.

Zu dem hohen Anteil der Kleinnager an der Nahrung der mitteleuropäischen Falken trägt einerseits unsere Klimazone bei, zum anderen unsere intensivierte Landwirtschaft, die keinen Raum mehr für Großinsekten und Reptilien lässt. Auf die Bodenjagd spezialisiert, greift diese Vogelart in wärmeren Gegenden und in einer strukturreicheren Landschaft nämlich auf ein breiteres Beutespektrum zurück, das auch Eidechsen, kleine Schlangen, große Käfer und Heuschrecken mit einschließt, beispielsweise in Spanien.


Kennzeichen

Foto: Dieter Goebel-Berg- gold, fotocommunity.de, fc-foto 68800266 *

Die Geschlechter des Turmfalken unterscheiden sich voneinander in der Färbung ihres Gefieders. Der bläuliche Kopf und die rötliche Oberseite des Männchens wurden in der einleitenden Erzählung beschrieben. Hinzu kommt der blaugraue Stoß, farblich das Pendant des Kopfes, das mit einer breiten schwarzen Querbinde abschließt. Im Vergleich wirkt die Färbung des Weibchens einheitlicher, ein etwas helleres, aber dichter und feiner gespren-keltes Rostbraun vom Scheitel bis zu den gesperberten Schwanz-federn. Die Jungvögel tragen bis zur ersten Mauser Weibchen-farbe.
Typisch für das Falkengesicht ist der wie mit einem Kohlestift gemalte schwarzbraune „Bartstreif“, der vom Innenwinkel jedes Auges am Schnabelwinkel vorbei zum beigeweißen Kinn verläuft. Zusammen mit der plüschig runden Kopfform verleiht er dem kleinen Falken einen vermeintlich freundlichen, etwas melancho-lischen Gesichtsausdruck. Auffällig in der Nahansicht ist der ver-dickte gelbe Hautring vor dem Auge, der es gleich einer Motorrad-brille vor dem austrocknenden Luftzug bei erhöhter Fluggeschwindigkeit schützt.

Turmfalke m., LBV Vogelstation Regenstauf / Auffangstation für verletzte Greifvögel, Foto: G. Wellner

Zu den charakteristischsten Feldkennzeichen des Turmfalken gehört zweifellos der Rüttelflug, der dem Mäusejäger den Beinamen „Rüttelfalke“ eingebracht hat. Beim Spähen nach Beute schwebt der Vogel auf der Stelle, indem er die Flügel in hoher Amplitude auf und nieder schlägt und den gefächerten Schwanz in steilem Winkel zur Erde senkt. Durch diese Stellung bildet sich über den Schwanzfedern ein Untersog, der den Falken in der Luft hält. Hat er seine Beute erspäht, stürzt er meist nicht wie ein Stein zur Erde, sondern lässt sich in einer weiten Kurve mit mäßiger Geschwin-digkeit von hinten an das Opfer heranschweben.


Rüttelflug - Foto: Dieter Goebel-Berggold, fotocommunity.de, fc-foto 7760695 *

Sturzflug - Fotos: Thomas Steiger / shake, fotocommunity.de, fc-foto 13067813 *


Mäuse-Lieferservice - Foto: Thomas Steiger / shake, fotocommunity.de, fc-foto 12889462 *

Neben Bodentieren erjagen Turmfalken jedoch immer wieder auch Kleinvögel wie vor allem Haussperlinge. Dabei kommt den Greifvögeln zu Gute, wenn sich die Spatzen gerade zur Futter-suche oder zum Staubbad am Boden aufhalten. Die Verfolgung fliegender Vögel liegt dem vergleichsweise langsam zustoßenden Greifen nicht, hier überbieten ihn haushoch der Baum- und der Wanderfalke, die wiederum mit trippelnden Wühlmäusen nichts anfangen können – so unterschiedlich die Jagdstrategien und Prägungen. Gelegentlich nehmen Turmfalken auch Aas von überfahrenen Tieren am Straßenrand auf oder zupfen Regen-würmer aus der Erde.


Fortpflanzung

Durchschnittlich beginnen sich die Turmfalken im raueren Klima des Alpenvorlands ab Mitte April zu paaren und bald darauf Eier zu legen. Der Beginn der Brutzeit hängt aber nicht nur von den Wetter-bedingungen, sondern auch vom örtlichen Nahrungsangebot ab. Wo es schon im Vorfrühling viele Mäuse gibt, liegen auch die Eier frühzeitiger im Nest: meist fünf, selten sechs oder mehr, selten weniger als vier, zimtbraun mit dichter dunkler Sprossenzeichnung.

Wie alle Falken bauen auch die Turmfalken kein eigenes Nest. Umso findiger sind sie im Beziehen schon verfügbarer Nistgelegenheiten oder in der Umfunktionierung verschiedener geeigneter Struk-turen zu solchen: verlassene Krähen- oder Elsternester ebenso wie breite, überdachte Mauersimse, Felsnischen in Steinbrüchen oder Gebirgswänden, ein ausgefallenes Lüftungsrohr oder ein eigens bereitgestellter Nistkasten.
Turmfalken sind also nur teilweise Höhlen- und Gebäudebrüter, doch nistet ein Großteil von ihnen in und an Gebäuden, sodass hier der Schwerpunkt für den Schutz ihrer Brutplätze liegt (s. u.).

Als fakultative Zweitbrüter ziehen die meisten Paare nur einmal im Jahr Nachwuchs auf. Unser Greifvogel-Experte Alois Lanzinger hat aber auch schon eine zweite Brut in einem seiner Nistkästen an einem Feldstadel festgestellt.

Die Eier brauchen knapp einen Monat bis zum Ausschlüpfen. Gebrütet wird ab dem dritten Ei, so dass etwa zwei Drittel der schlüpfenden Brut die gleichen Wachstumschancen haben. Kainismus – das vor allem bei Steinadlern beobachtete Verdrängen und Töten des schwächeren Geschwisters – kommt in den kopfstärkeren Bruten der Turmfalken nicht vor, stirbt jedoch eines der Küken bei schlechtem Wetter an Nahrungsmangel, wird es von den Eltern an seine Geschwister weiter verfüttert. Uns mag das herzlos erscheinen, führt aber den überlebenden Jungen dringend benötigte Nährstoffe zu und hilft ihnen die Notzeit zu überstehen.

Das Weibchen bebrütet das Gelege allein und wird in dieser Zeit vom Partner gefüttert. Bis zur Hälfte der Nestlingszeit muss das Turmfalkenmännchen einen enorm kraftraubenden Versorgungs-Marathon leisten, erst recht, wenn es die Jungen mitversorgt. Jeder Nestling benötigt etwa vier bis fünf Mäuse am Tag – das mal vier, fünf oder sechs gerechnet. Hinzu kommt der Hunger des Weibchens, das seine Energien für die Produktion der Eier, das Brüten und das Wärmen der Küken verbraucht, und nicht zuletzt die eigene Kräftigung, von der schließlich der komplette Bruterfolg über viele Wochen abhängt.

Nach weiteren drei bis vier Wochen sind aus den piepsenden weißen Dunenbällchen ansehnliche „Debutanten“ im rostroten Erstlingsgefieder geworden. Jetzt beteiligt sich auch das Weibchen an den Jagdflügen. Die etwas versetzten schwarzen Querstreifen beidseits des Federschaftes erinnern an ein Fischgrätenmuster. In den ersten Tagen nach dem Ausfliegen betteln sie in der Nähe ihrer Wiege sitzend die Eltern lautstark um Futter an, eine Woche später beginnt der Flug- und Jagdunterricht, zu dem die Altvögel ihre Jungen, teilweise sogar in Einzelbetreuung, ins offene Gelände mitnehmen.

Einen solchen Unterricht hat mein LBV-Freund Alois Lanzinger aus eigener Beobachtung sehr anschaulich beschrieben:
„Oben fliegt das Weibchen, unten das Männchen, der Jungvogel wird in die Mitte genommen und so auf Kurs gehalten. Das Mäusefangen sehen sie sich von ihren Eltern ab. In der ersten Zeit halten sich die Jungen noch öfter am Boden auf, wo sie auch Insekten und Regenwürmer aufnehmen.“
Ende Oktober, weiß Lanzinger, beginnt für die neue Generation seiner Schützlinge – von denen er selbst viele verletzte Exemplare und erfolgreich aufgezogene, aus dem Nest gefallene Junge zum Ausfliegen gebracht hat – der Ernst des Lebens. „Sie werden von den Eltern aus dem Revier vertrieben, kommen aber immer noch zurück und betteln.“ Und bekommen vielleicht noch die eine oder andere Maus nachsichtig zugesteckt.

Wie bei allen Vögeln ist der natürliche Verlust im ersten Jahr sehr hoch. Gefahren auf dem Zug, Vogeljagd im Mittelmeerraum – auch auf bedrohte Greifvögel (!) , Unfälle, Krankheiten und strenge Winter fordern etwa 60 bis 70 Prozent Opfer unter den ausgeflogenen Exemplaren einer Brutsaison.

Zug und Überwinterung

Turmfalken sind Teilzieher, d. h., unsere mitteleuropäischen Brutvögel bleiben den Winter über in der Mehrzahl im Land. Ein in München-Solln beringter Jungvogel wurde aber schon, leider als Totfund, im ersten und zugleich letzten Winter seines Lebens aus Mallorca gemeldet.

Die schneereichen Spätwinter 2005 und 2006 haben den Bestand in Südbayern spürbar dezimiert, weil der Nahrungsmangel neben den Überwinterern wahrscheinlich auch viele frühe Rückkehrer überrascht hat.

Mauser

Wie alle Vögel durchlaufen die Turmfalken einmal im Jahr eine vollständige Erneuerung ihres Gefieders, das von der ständigen Flächenbelastung durch den Flug im Lauf des Jahres stark abgenutzt wird. Die abgebildete Schwanzfeder eines Weibchens zeigt deutlich die Spuren des Verschleißes.

(Bild Schwanzfeder)

Die Männchen beginnen mit der Mauser schon im Mai, zu Anfang der Brutzeit. Im Juni und Juli wechseln die Weibchen ihr Federkleid. Dann findet man am Fuß eines Kirchturms oder einer Scheune oft die gestreiften roten Federn. Sie haben ausgedient und neue haben sich aus der Haut nachgeschoben. Entlang den Flügeln ersetzen sich erst die Armschwungfedern von der mittlersten her, am Stoß fällt zuerst die längste, innerste Schwanzfeder aus.

Schutzmaßnahmen

Auch der Vogel des Jahres 2007 ist auf Hilfe angewiesen, um seinen in Deutschland vielerorts rückläufigen Bestand stabil halten zu können. Nicht harte Winter, die im Bereich natürlicher Ereignisse liegen, machen den schönen Greifvögeln das Leben schwer, sondern einmal der teilweise Mangel an Nistmöglichkeiten und zum anderen die Ausräumung der Agrarlandschaft.

Nistmöglichkeiten

Auch Turmfalken beziehen gerne Nistkästen mit einem Innenmaß von ca. 80 mal 50 mal 30 cm. Die Vorderwand sollte zu einem Viertel offen sein, da Turmfalken keine ausgesprochenen Höhlenbrüter sind und einen gewissen Tageslichtschimmer an der Nestmulde nicht scheuen wie die Dohlen. Der Kasten erhält einen wetterfesten, gesundheitsverträglichen Anstrich mit Altöl und einen Schutzbeschlag aus Dachpappe, vor allem, wenn er außen an einem Gebäude angebracht ist.

Turmfalkenkasten (quer)

Der Boden wird mit einer Schicht weichen Sägemehls oder kleinen Zweigen ausgelegt. Dies ist wichtig, da die Falken kein eigenes Nest im Kasten bauen. Die Mehlschicht hindert die Eier am Weg-rollen und schützt sie so vor Beschädigungen.

» Bauanleitung Turmfalken-Kasten [130 KB] (tief)

Kästen für Turmfalken und Dohlen sind z.B. über die LBV Kreis-geschäftsstellen erhältlich. Des weiteren vertreibt auch die Firma Schwegler Spezialkästen aus Holzbeton, die sich sowohl innen wie auch außen an Wänden und an Bäumen aufhängen lassen.

Zur Turmfalken-Webcam des Naturschutzbund Deutschland e.V. - NABU
(Link z.Zt. geschlossen)
Zur Turmfalken-Webcam des LBV, Kreisgruppe Kempten (Maria Ward Schule)
» http://www.lbv-kempten-oberallgaeu.de/webcam/falkencam.htm

Turmfalke an der Kirche in München/Solln

Fotos: Gerd Wellner

Plätze für Turmfalken-Nistkästen können hinter den Schalllöchern eines Kirchturms sein, wo die Greife in engster Nachbarschaft mit den Dohlen nisten, an Wohnhäusern mit ausreichender Höhe und Platzangebot oder an Stadelwänden. Regengeschützt unterm Dachfirst, kann die Brutkiste sowohl außen an einem Sparren oder an der Wand als auch hinter einem ausgesägten Loch (ca. 8 mal 8 Zentimeter) im Inneren angeschraubt werden. Die Innenraum-Variante ist sogar noch besser, da die Vögel sich zwischen den Wänden der Scheune sicherer fühlen.

Turmfalken am Kirchturm von Thanning/Obb. Turmfalke scheucht Dohle


Turmfalken sind mäßig störungstolerante Brutvögel. Wer sie ansiedeln will, sollte dafür eine Gebäudeseite wählen, die keiner häufigen Begehung und Störung ausgesetzt ist.
Ein Turmfalken-Kasten kann je nach Lage auch Dohlen, Hohltauben, Waldkäuze oder (in Flussnähe) Gänsesäger beherbergen.

Eine weitere Naturschutzmaßnahme, von der auch die Turmfalken profitieren, ist der Verzicht auf den Abschuss von Rabenkrähen und Elstern und die Duldung ihrer Nester. In Krähen- und Elsternestern – letztere geschlossene, runde Kobel mit einem Schutzdach aus Stachelzweigen – werden gerne von Turmfalken und Waldohreulen als Nachmietern bezogen.

Verbesserung der Jagdbedingungen

Ist unsere Feldflur größtenteils monotonisiert und das Nahrungsangebot auch für die Turmfalken insgesamt verringert, so lassen sich doch die Jagdbedingungen durch die Neuschaffung landschaftlicher Strukturen verbessern.
Sitzkrücken, so genannte Greifvogel-Julen, bieten Turmfalken und Mäusebussarden bequeme erhöhte Ansitze zum Ausspähen nach Beute. So kann der Falke die im Winter bevorzugte Taktik der Ansitzjagd vollführen.
Hecken erfüllen den selben Zweck und haben überdies den Vorteil, dass sich eine größere Wühlmauspopulation in den ihnen vorgelagerten Grasstreifen ansiedelt.

Weitere Kurzdokumentation:
Referat von Werner Schmidt, Königsdorf/Obb., LBV Kreisgruppe Bad Tölz Wolfratshausen
» Der Turmfalke - Vogel des Jahres 2007 [58 KB]


Weitergehende Information:
Ratgeber zum Artenschutz an Gebäuden und in der Stadt
» LBV-München - Artenschutz an Gebäuden: Downloads von Broschüren
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