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(Passer domesticus) --- Vogel des Jahres 2002

Ein Hühner-Auslauf im Gelände eines Bauernhofes: In der Abgeschiedenheit ihres Maschendraht-geheges, das zur Hälfte im Schatten eines Baumes liegt, scharren Hühner verschiedener Zuchtart und Färbung im zerkratzten Erdboden, picken ihr Futter auf, jagen einander, an die Rangordnung erinnernd, in kurvigem Lauf von den besten Brocken fort, suhlen sich behaglich im Staubbad oder dösen in einer schattigen Ecke.
Mitten unter den Großen lässt sich ein kleiner, karamellbrauner Vogel mit staubgrauem Bauchkleid nieder. Ein zweiter, ganz ähnlich gezeichnet, aber mit teergrauem Scheitel in einer Umrahmung kastanienbrauner Kopfbinden und einem breiten schwarzen Brustlatz landet neben der Spätzin auf seinen fleischrosa Beinchen, und gemeinsam machen sie sich mit kurzen Hopsern über die aus-gestreuten Futterpellets her. Einen trägt das Haussperlingsweibchen im Schnabel weg – irgendwo unter einem gelockerten Stallziegel, an einer undichten Stelle unterm Haus- oder Scheunendach, vielleicht hinter den Leuchtröhren des Kuhstalls oder auf einem Tragbalken hat das Paar ein Nest mit Jungen.

Auf dem Misthaufen zeigt sich wenige Tage später das Resultat der elterlichen Mühen. Ein frisch-flügger Jungspatz mit Stutzschwanz und gelben Schnabelwülsten rückt der Mutter unter lautem, bettelndem Tschilpen dicht aufs Gefieder. Seine Flügelchen, an denen noch letzte Federkiele sichtbar geblieben sind, zittern geradezu frenetisch. Aber der Misthaufen ist zum Glück für die gestresste Spätzin wie für die immer hungrigen Jungen ein gedeckter Tisch: Hier gibt es Fliegen, Maden, andere Insekten, halbverdaute und weggeworfene Sämereien im Überfluss.
Vom gedeckten Tisch im wahrsten Sinn des Wortes füttert ein Spatzenmännchen im nebenan gelegenen Biergarten seine Flugdebütanten. Aber hier wird Fast Food – Pommes frites, Spaghetti, Brotkrümel von noch nicht abgetragenen Tellern – in die gierenden Rachen gestopft. Derweil tönt aus allen Hecken und von vielen Dächern der Chor der tschilpenden Artgenossen – noch.

Foto: LBV-Archiv, Z. Tunka

Ein Allerweltsvogel im Abwind?

Seit 2004 steht auch der Haussperling auf der Vorwarnliste, was bei diesem regelrechten Syno-nym für Häufigkeit und Gewöhnlichkeit zunächst erstaunen mag.

Sicherlich gibt es sehr viele Vogelarten, denen es in der Bestandsentwicklung erheblich schlechter geht als dem Spatz. In unserem bäuerlich geprägten Landkreis sind ernste Sorgen um das Über-leben dieser liebenswerten, geselligen Vögelchen auch noch nicht angebracht. Anders sieht es in München aus, wo die verdichteten City-Bereiche bis auf wenige kümmerliche Enklaven spatzenleer sind. Die Landeshauptstadt München gibt da ein trauriges Beispiel für viele europäische Großstädte ab, wie Hamburg, London oder Paris.

Was fehlt dem eigentlich so anpassungsfähigen Hausspatz? Zählen wir doch auf, wie wir ihm in unserer unmittelbaren Nachbarschaft eine lebenswerte Umgebung bereiten können, von der viele andere Tier- und Pflanzenarten ebenfalls profitieren.
Der Haussperling hat sich als Kulturfolger spezialisiert. Mehr als die anderen Gebäudebrüter ist er auf menschliche Siedlungen angewiesen, da er hier nicht nur Brutplätze, sondern auch Nahrung, Verstecke und Gelegenheiten zur Körperpflege finden muss.

Schutzmaßnahmen für einen Spatzen-Lebensraum

1. Nistplätze erhalten und schaffen

Der Haussperling bewohnt zur Jungenaufzucht die gleichen Stellen an Gebäuden wie der Mauer-segler, sodass viele Schutzmaßnahmen für beide Vogelarten gelten. Allerdings hat der Sperling ein breiteres Spektrum an Nistmöglichkeiten, da er nicht in rasanter Parabelkurve einfliegen muss wie ein Segler, sondern über Zwischenlandungen bequem zu seinem Nest gelangen kann.

Haussperlinge brüten in Hohlräumen unter Dachpfannen, in offenen Dachkästen, im Freiraum zwi-schen Dachstuhl und Mauertrauf, aber auch in verwinkelten, möglichst geschlossenen Balkenkon-struktionen, die vor Regen geschützt unter einem Giebel liegen. Überlappungsspalten an einem Beton-Hochhaus, Übergangsnischen zwischen zwei Gebäuden oder die Aussparungen von Leuchtbuchstaben werden ebenfalls mit den strohigen Spatzennestern zu gestopft.

Wer den Spatzen helfen will, hängt einen kleinen Holznistkasten für Mauersegler an seinen Dach-überstand. Für die geselligen Brüter ist es jedoch am besten, mehrere Nistkästen aufzuhängen, wie sie die Firma Schwegler speziell für Sperlinge anbietet.

Mit ihrer flexiblen Wahl an Höhlen, Halbhöhlen und Nischen können unsere Hausspatzen von der Vielzahl an Nisthilfen profitieren, die für andere kleine Gebäudebrüter angebracht werden. So be-ziehen sie auch selbstgebaute Lehmnester der Mehlschwalben. Es lohnt sich, auch in einer Wohn-gegend, die nicht von den Mehlschwalben bewohnt wird, eine künstliche Nistvorrichtung unters Dach zu hängen – für die Hausspatzen! Allerdings knäueln diese ihre Nester lieber zwischen die Sperrholz-Aufhängung und Dachlattung als in die Halbkugeln aus Holzbeton.

(Foto folgt)

Grundsätzlich stehen auch Haussperlinge unter dem Schutz des Bundes-Naturschutzgesetzes. Ihre Brutplätze dürfen weder während der Jungenaufzuchtszeit noch zu einer anderen Jahreszeit ersatzlos zerstört werden.

Denken Sie bitte auch dran, dass unsere Spatzen das ganze Jahr über in unserer engsten Nach-barschaft leben. Sie brauchen Nistkästen, Dach-Hohlräume oder Fassadenpflanzen als warmen Unterschlupf in kalten Winternächten.

2. Nahrung anbieten – weg von der Garten-Monokultur

In der Nähe des Menschen finden die Spatzen nicht nur Brutplätze, sondern sind auch auf ein gutes Nahrungsangebot in unmittelbarer Umgebung ihrer Quartiere angewiesen.

Wer ein Stück Wiese wachsen, blühen und aussamen lässt statt sie jede Woche zu mähen, bietet den Spatzen und anderen Körner fressenden Vögeln (Buchfinken, Grünlinge, Girlitze) die dringend benötigte Samenkost und kann sich selbst an einer kostenlosen Blumenpracht freuen, die viele Schmetterlinge anlockt.

Standorttypische Sträucher sind auch Nahrungspflanzen für eine Vielzahl heimischer Insekten. Vor allem deren Larven dienen den Spatzen als lebensnotwendige Aufzuchtsnahrung für ihre Jungen. In der ersten Hälfte ihrer Nestlingszeit muss sich ihr Darm erst von weicher fleischlicher Kost auf Körnernahrung umstellen, mit Brotkrümeln vom Frühstückstisch können sie noch nicht gefüttert werden.

Für Spatzen und andere Körnerfresser empfiehlt sich auf jeden Fall die Winterfütterung, wenn nicht sogar die ganzjährige Futterspende. Sie ersetzt Sperlingen, Goldammern, Grünlingen, Buchfinken und Stieglitzen die Samenstauden, die als so genanntes „Unkraut“ aus unseren Siedlungen und unserer Landschaft sofort weg getilgt werden.

Dennoch bleibt die naturnahe Gestaltung unserer Gärten als Lebensräume eine der wichtigsten Schutzmaßnahmen für den Haussperling.

Seit Jahrzehnten legt die LBV-Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen in den Gemeindefluren neue Hecken an, deren älteste bereits zu stattlichen Grünwällen und zu Verstecken oder Brutplätzen für zahlreiche Vogelarten herangewachsen sind. Ein mit dem Haussperling verwandter Körnerfresser, die hübsche Goldammer, hat von unseren Heckenpflanzungen profitiert und ist auch im recht nah-rungsarmen Grünland wieder häufiger geworden. Diese Hecken ziehen immer wieder Haussper-linge und ihre kleineren Verwandten, die
Feldsperlinge, in ihren grünen Schutz.
Manchmal hat sich schon eine Rarität, der Neuntöter, in den LBV-Hecken zur Brut niedergelassen. Dort ist er zwar ein unregelmäßiger Gast, doch dass der bedrohte Zugvogel überhaupt in unseren Feldhecken erscheint, spricht bereits für den Erfolg dieser Aktionen, denn nicht immer ließ sich für eine Pflanzung auch ein landwirtschaftlich reich strukturiertes, ökologisch wertvolles Gelände fin-den.



Foto: Dieter Goebel-Berggold, fotocommunity.de, fc-foto 3280735 *


3. Ruderalflächen in der Siedlung – Mut zum „Unkraut“!

Im Park der Kreisklinik Wolfratshausen hat der LBV einen Nahrungsbiotop für die in der Umge-bung zwar nicht mehr zahlreich, aber noch regelmäßig vertretenen Spatzen angelegt: Im Einver-nehmen mit der Klinikverwaltung durften mein Freund Markus Feigl und ich einen zehn Meter langen Streifen von der Aufgrabungfläche für das neu gebaute Pflegeheim abtrennen und als Ruderalstreifen sich selbst überlassen. Ruderalflächen sind Stellen mit kiesig-sandigem Untergrund ohne Humus, auf denen sich trockenheitsresistente Pionierpflanzen wie der Weiße Gänsefuß ansiedeln. Ruderalvegetation entsteht im Ortsbereich an Baustellen, aber nur als Lebensgemeinschaft auf Zeit – das allgemeine Ordnungsbewusstsein kann es nicht zulassen, dass eine solche Fläche bald unter einem regelmäßig geschorenen Rasen oder unter Pflaster verschwindet.

Unsere Ruderalfläche schließt sich an ein Stück Wiese im Umgriff des Parkteichs an, das wir wachsen lassen und nur einmal im Herbst mähen. Hier soll sich die natürliche Graslandgesell-schaft wieder einstellen. An der Grenze zum Ruderalstreifen wurden Lesesteinriegel als Unter-schlupf für Hummelvölker oder Zauneidechsen aufgeschichtet. Mit dem Gewässer, den verschie-denen Uferzonen und der von ihrem zwischenzeitlichen Kahlschnitt sich erholenden Baumhecke, an deren Rand wir zudem eine Benjeshecke errichtet haben, verbindet sich unser Biotop auf kaum hundert Quadratmetern zu einem Mosaik unterschiedlicher Lebensraum-Typen, wo auch der Spatz sein Körnchen findet und durch die Ästhetik der Vielfalt die Optik peinlicher Rasenpflege sicherlich aufwiegt. Der nur schütter bewachsene Boden des Ruderalstreifens bietet den Sperlingen außer-dem offene Stellen für Staubbäder zur Gefiederpflege.

4. Hecken als Rückzugsstation

Kein Spatzen-Lebensraum ohne Hecken! Im dichten Gezweig suchen die kleinen Straßensänger Schutz vor Feinden, hierhin ziehen sie sich zu geselligen Palavern und kurzen Ruhephasen zurück, wenn sie auf dem abgeernteten Acker oder dem Gartenrasen nach Futter suchen.
Im Kapitel über die Nahrung wurde schon auf den Wert einheimischer, standorttypischer Sträucher und Gehölze als Raupen-Futterpflanzen für viele Schmetterlinge hingewiesen. Auch eine Garten-hecke sollte stets an das für die Umgebung charakteristische Angebot der Pflanzenarten anschlie-ßen. So kann jeder Gartenbesitzer dazu beitragen, die Artenvielfalt unserer Landschaft zu erhalten – auch durch die Pflanzung eines Biotops mitten in der Stadt, in der Ortschaft oder im Dorf.

(Foto der Veiglberg-Hecke bei Neufahrn/Hecke bei der Eurasburger Kläranlage)

5. Staub- und Wasserbäder

Haussperlinge sind die einzigen Singvögel unserer Heimat, die regelmäßig Gefieder und Haut in Staub pudern, um Federschuppen und Parasiten los zu werden. Neben ihnen pflegen nur Hühner-vögel diese Gewohnheit, auch unser Hofgeflügel, wie wir in jedem Hühnerauslauf beobachten können. Mit den Hühnern verbindet die Spatzen, dass sie wahrscheinlich aus sommertrockenen Steppen- und Mediterranklima-Regionen stammen, wo der Sommer ein Wasserbad zur Mangel-ware macht.

Ein trockener, graustaubiger Feldweg, der aschfahle, heiße Pulverbelag auf einer ungeteerten Hofzufahrt, ein Stück kahler Gartenerde und sogar die puderlockere Erde in einem Balkonblumen-kasten – beim Auffinden der für ihre Gesundheit lebensnotwendigen Staubsuhlen sind Haus-spatzen ebenso erfindungsreich wie bei der Besetzung von Nistplätzen. Nur nützt ihre Findigkeit ihnen nichts mehr, wenn sämtliche Straßen und Wege verpflastert und versiegelt werden.

Wer Platz in einem Pflanzenbeet hat und nicht zu ordnungspenibel ist, lässt die kleinen Kerle gewähren, wenn sie einen breiten, kahlen Saumstreifen am Fuß nicht zu eng stehender und bodendeckender Gewächse (z.B. in einem Rosenbeet) als rares Staubbad entdeckt haben.

Eine Vogeltränke in Form eines großen, flachen Blumenuntersetzers, einer eigens für den Zweck hergestellten Keramikschale oder gar eines kleinen Teiches sollte ohnehin zum Garteninventar eines jeden Vogelliebhabers gehören. Ein flacher Einstieg muss die Vögel und andere kleine Tiere (z.B. Igel) vor dem Ertrinken bewahren, außerdem sollte zumindest ein größerer Uferbereich eben sein und freien Überblick für ein rechtzeitiges Erkennen von Gefahren wie Katzen gewähren.

Beobachten wir eine Spatzenbande beim Staubbaden – das ist wie Ferragosto am Strand von Rimini! Jung und Alt drücken ihre Körper in den fliegenden Staub, den sie mit schwirrenden Flügelschlägen durch ihr aufgeplustertes Gefieder bis auf die Haut sieben und zu Schwaden von einem Meter Höhe aufwirbeln, wie ich selbst schon beobachtet habe. Die tiefstehende Sommer-sonne flimmert orangerot in der Staubhose – ein ästhetisch schönes, anmutiges Schauspiel, dem die sich wie in Planschbewegungen drehenden und flatternden kleinen Knäuel Leben einhauchen, ein Akt voll kreatürlicher Poesie, um wie viel schöner als alle besenreine Sterilität! Eben flügge gewordene, dickliche Jungspatzen machen den Altvögeln die Badebewegungen nach und sperren um eine weitere Kräftigung vor dem Ernst ihres bewegten, gefahrvollen Lebens, der sie in wenigen Tagen auch in der Gemeinschaft auf sich selbst stellen wird.
Bis die ganze Schar auf einen leisen Warnruf als eine Garbe flüchtender Flügel in der nächsten Hecke untertaucht.


Weitergehende Information:
Ratgeber zum Artenschutz an Gebäuden und in der Stadt
» LBV-München - Artenschutz an Gebäuden: Downloads von Broschüren
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Gemeinsam unter einem Dach - Menschen, Spatzen, Mauersegler


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